Gebet der Sammlung

 

Der du bist in den Himmeln

Teresa von Avila

 

Betrachtet jetzt die Worte eures Meisters: "DER DU BIST IN DEN HIMMELN". Meint ihr, es liege wenig daran, zu wissen, was der Himmel ist und wo ihr euren allerheiligsten Vater zu suchen habt? Aber ich sage euch, für zerstreute Gemüter ist es sehr wichtig, dies nicht nur zu glauben, sondern sich auch zu bemühen, es durch eigene Erfahrung inne zu werden; denn dies ist etwas von den Mitteln, den Verstand zu fesseln und die Seele zu sammeln. Ihr wisst schon, dass Gott überall ist. Wo aber der König ist, da ist offenbar, wie man sagt, auch sein Hofstaat; und so ist denn, wo Gott ist, auch der Himmel. Ihr könnt es zweifellos glauben, dass da,  wo die göttliche Majestät ist, auch alle ihre Herrlichkeit sich findet.

 

 

Nun seht, was der heilige Augustinus sagt, dass er nämlich Gott an vielen Orten gesucht und ihn endlich in seinem eigenen Inneren gefunden habe. Meint ihr wohl, es sei für zerstreute Seelen von geringer Wichtigkeit, diese Wahrheit zu erfassen, und zu wissen, dass sie nicht erst zum Himmel aufsteigen braucht, um mit ihrem ewigen Vater zu reden und seiner sich zu erfreuen? Sie braucht auch nicht laut ihre Stimme zu ihm zu erheben, denn er ist ihr so nahe, dass er sie hört, auch wenn sie ganz leise zu ihm spricht. Um ihn zu suchen, bedarf es keiner Flügel; sie braucht nur einsam in ihr Inneres zu blicken, wo sie ihn finden wird.

 

Hier betrachte sie ihn; und sie stelle sich ja nicht fremd gegen einen so guten Gast... Gehe vielmehr mit diesem himmlischen König um wie mit eurem Vater, wie mit eurem Bruder,  wie mit eurem Herrn, wie mit eurem Bräutigam, jetzt in dieser, und dann wieder in einer anderen Weise; er selbst wird euch lehren, in welcher Weise ihr es tun sollt, um ihm zu gefallen. Seid nicht einfältig, sondern bittet ihn, da er euer Bräutigam ist,  um die Zusicherung, euch als seine Bräute behandeln zu wollen. Beachtet wohl, wie wichtig es für euch ist,  diese Wahrheit zu erkennen, dass nämlich der Herr in uns wohnt, und wie viel daran gelegen ist, dass wir da bei ihm verweilen.

 

 

Bei dieser Weise zu beten, ob es auch nur mündlich sei, wird der Geist viel eher gesammelt, und gewinnt man noch viele andere Güter. Sie wird Gebet der Sammlung genannt, weil dabei die Seele alle ihre Kräfte sammelt und mit ihrem Gott in ihr Inneres eingeht. Da wird sie von ihrem göttlichen Meister schneller unterwiesen und es wird ihr von ihm das Gebet der Ruhe, eher verliehen, als auf irgend eine andere Weise....

 

Diejenigen, welche sich auf diese Weise in den kleinen Himmel ihrer Seele, wo der ist, welcher den Himmel und die Erde gemacht hat, einzuschließen wissen und sich gewöhnen, außer ihm nichts anzuschauen und nicht an Orten zu beten, wo ihre äußeren Sinne sich zerstreuen könnten, dürfen überzeugt sein,  dass sie auf einem vortrefflichen Wege wandeln, und dass sie (bald) dahin gelangen werden, wo sie das Wasser aus der Quelle selbst trinken können, denn sie legen in kurzer Zeit eine große Strecke zurück. Da ist es, wie wenn man auf einem Schiffe fährt. Hat man nur wenig guten Wind, so gelangt man in kurzer Zeit an das Ziel der Reise, während die, welche zu Land reisen, später ankommen.

 

 

Die Seelen, von welchen ich rede, sind, sozusagen, schon auf dem Meere; denn wenn sie auch das Land noch nicht ganz verlassen haben, so tun sie doch während der kurzen Zeit des Gebets dadurch, dass sie ihre Sinne in sich selbst sammeln, was sie können, um von der Erde loszukommen.

Ist die Sammlung eine wahre, so kann man sie sehr deutlich erkennen; denn sie bringt eine gewisse Wirkung mit sich, die ich nicht näher erklären kann. Wer dieselbe erfahren hat, der wird verstehen, was ich meine. Die Seele scheint hier das Spiel schon gewonnen zu haben; denn nichts anderes sieht sie jetzt in den Dingen dieser Welt, als ein Spiel. Sie macht sich zur gelegensten Zeit mit ihrem Gewinne davon und birgt sich, gleich einem, der sich in eine starke Festung wirft, wo er von seinen Feinden nichts zu fürchten hat, in ihr Inneres. Dies tut sie, indem sie ihre Sinne von den äußeren Dingen zurückzieht...

 

 

Bei dieser Gebetsweise scheint die Seele zu merken, wie sie auf Kosten des Leibes an Kraft und Stärke gewinnt. Diesen lässt sie einsam und entkräftet, während sie gegen ihn sich kräftigt. Anfangs zwar ist diese Wirkung nicht bemerkbar, weil doch noch nicht so groß ist; denn die Sammlung hat ihre verschiedenen Grade und kostet, wie gesagt, am Anfang Mühe, da der Leib, der nicht merkt, dass er sich selbst schadet, wenn er sich nicht überwunden gibt, sein Recht wieder haben will. Hat man sich aber eine Zeitlang geübt und sich bezwungen, so wird man klar den Gewinn sehen, welchen man davon hat. Hat man sich aber eine Zeitlang geübt und sich bezwungen, so wird man klar den Gewinn sehen, welchen man davon hat.

 

 

Sobald man zu beten anfängt, wird man erfahren, wie die Sinne sich sammeln, den Bienen gleich, die zum Korbe fliegen und darin den Honig bereiten. Dies geschieht dann ohne Anstrengung von unserer Seite; denn der Herr will, dass die Seele und der Wille für die Mühe, welche sie zuvor gehabt, durch die Herrschaft über die Sinne belohnt werden. Der Wille braucht denselben nur ein Zeichen zu geben, dass die Seele sich sammeln wolle, und sogleich gehorchen sie und ziehen sich in die Seele zurück. Und schweifen sie auch in der Folge wieder aus, so ist doch damit, dass sie sich schon unterworfen haben, viel gewonnen; denn sie schweifen jetzt nur als Gefangene und Untergebene aus und richten nicht mehr den Schaden an, den sie vorher anrichten konnten. Sobald der Wille sie wieder ruft, kehren sie noch geschwinder zurück, bis nach oftmaliger Einkehr derselben in der Seele der Herr will, dass sie in vollkommener Beschauung in ihr bleiben.

 

 

Möchte man das Gesagte wohl verstehen; es scheint zwar dunkel, doch werden es diejenigen verstehen, die sich darin üben wollen. Seelen, welche auf diesem Wege wandeln, reisen, wie schon gesagt, gleichsam zu See und kommen eher zum Ziele. Sie sind vor vielen Gelegenheiten zur Sünde mehr geschützt. Das Feuer der göttlichen Liebe entzündet sie weit schneller; denn da solche Seelen demselben ganz nahe sind, so bedarf es nur eines kleinen Hauches des Verstandes, um es anzufachen, und ein kleiner Funke, der sie berührt, genügt, um sie ganz in Flammen zu setzen, weil nichts Äußeres es hindert.

 

 

Die Seele ist hier ganz allein mit ihrem Gott, und in dieser Einsamkeit findet sie ein sehr geeignetes Mittel, sich zu entflammen. Wir wollen nun ein wenig davon reden, wie wir uns eine so vortreffliche Gebetsweise angewöhnen können; denn es ist sehr viel daran gelegen, dass wir auf dem Wege des Gebetes nicht langsam voranschreiten.

 

 

Nehmt an, es sie in euch ein überaus prächtiger Palast, erbaut von lauter Gold und Edelsteinen, ein Palast, wie er sich für einen so großen Herrn, für den er bestimmt ist, geziemt, und ihr selber traget zur Zierde diese herrlichen Baues bei; denn in Wahrheit gibt es kein schöneres Gebäude, als eine reine, mit Tugenden geschmückte Seele, und je größer diese T-ugenden sind, desto herrlicher glänzen sie als Edelsteine. Denkt euch auch in diesen Palast wohne jener große König, der euer Vater sein will, und dieser König sitze auf einem sehr kostbaren Throne, und dieser Thron sei euer Herz.

 

Auf den ersten Blick mag dieses Gleichnis welches ich zu meiner Erklärung anführe, zwar unpassend scheinen; dasselbe kann aber, besonders euch, von großem Nutzen sein. Denn weil wir Frauenpersonen nicht gelehrt sind, so bedürfen wir eines solchen Mittels, um zu erkennen,was Wahrheit ist, dass nämlich in uns selbst, etwas unvergleichlich Kostbares sei, als was wir äußerlich an uns wahrnehmen. Wir dürfen ja nicht meinen, wir seien inwendig leer; und wollte Gott, nur Frauenpersonen allein dächten nicht daran, welch vornehmen Gast wir in uns beherbergen.  Die Dinge dieser Welt sind im Vergleiche mit dem, was wir in unserem Inneren besitzen, niedrig und in keiner Weise ebenbürtig.

 

 

Wie wunderbar! Der, welcher tausend Welten und einen noch  viel größeren Raum mit seiner Größe erfüllen kann, schließt sich in so eine kleine Wohnung ein! In Wahrheit, weil er der Herr ist, behält er seine Freiheit; weil er uns aber liebt, fügt er sich nach unserem Maße. Um die Seele nicht zu verwirren, wenn sie sich zur Beherbergung eines so großen Herrn so klein sieht, gibt er ihr am Anfange  seine Größe nicht zu erkennen, bis er sie allmählich erweitert, so wie es zur Aufnahme dessen, was er in sie legen will, notwendig ist.

 

Deshalb sage ich, er behalte seine Freiheit, weil er nämlich die Macht hat, diesen Palast zu vergrößern. Für uns besteht die Hauptsache nur darin, dass wir mit aller Entschiedenheit ihm uns als Eigentum hingeben, und dass wir hinwegräumen, was ihn hindern könnte, in dasselbe hineinzulegen und daraus zu nehmen, was ER  will. So zu tun, hat er Grund, und darum sollen wir ihn unsere Einwilligung dazu nicht verweigern. Zwar nimmt er, weil er unseren Willen keine Gewalt antut, das an, was wir ihm geben; aber er schenkt sich uns nicht ganz, bis auch wir IHM  ganz uns schenken. Das ist gewiss; und weil an dieser Wahrheit so viel gelegen ist, deshalb mache ich euch sooft darauf aufmerksam. Geben wir uns dem Herrn nicht ganz hin, so wirkt er nicht so in der Seele, wie dann, wenn er sie unbehindert als sein volles Eigentum besitzt.

 

 

Ich weiß auch nicht, wie er anders tun könnte, da er ein Freund aller Ordnung ist. Füllen wir dagegen den Palast mit allerlei Gesindel und Tändelwaren an: wie soll dann der Herr mit seinem Hofstaate noch Platz darin finden? Er tut viel, wenn er sich bei seinem so großen Hindernissen nur eine kleine Weile aufhält. Oder meint ihr etwa er komme allein? Hört ihr nicht, was sein Sohn sagt: " der Du bist in den Himmeln"? Gewiss, einen solchen König lassen  seine Hofleute nicht allein; sie sind immer bei ihm, und weil sie voll Liebe gegen uns sind, so bitten sie ihn für uns alle um unser Wohl... Unsere Gedanken sollen immer auf das gerichtet sein, was ewig währt; auf Irdisches aber, das oftmals nicht einmal für diese Lebenszeit von Dauer ist, sollen wir gar keinen Wert legen...

 

 

O mein HERR! würden wir dich doch wahrhaft kennen, so würden wir nichts Widriges achten; denn du gibst reichlich denen, die sich ganz dir anvertrauen wollen. Glaubt mir, es ist etwas sehr Wichtiges, zu erkennen, dass dies Wahrheit ist, um einzusehen, dass alle irdische Gunst Lüge ist, wenn sie die Seele nur in etwa vom inneren Wandel abzieht. O GOTT, wer könnte euch das begreiflich machen! Ich wahrlich nicht; denn ich weiß, dass ich es selbst nicht so vollkommen begreife, wie es begriffen werden müsste, obwohl ich es mehr als irgend jemand begreifen sollte.

 

Um aber wieder auf das zu kommen, was ich sagte, ( das nämlich der himmlische König nicht allein, sondern begleitet von seinem Hofstaate in unsere Seele komme), so wünschte ich euch erklären zu können, wie diese heilige Gesellschaft bei unserem Gast, dem Heiligsten der Heiligen, sein könnte, ohne die Einsamkeit zu stören, in dem die Seele mit ihrem Bräutigam weilt, wenn sie mit ihrem Gott in das Paradies ihres Inneren eingehen will und hinter sich allem, was in der Welt ist, die Türe schließt. Ich sage; "wenn sie will". Denn ihr sollt wissen, dass dieses Eingehen in der Seele in sich selbst nicht etwas Übernatürliches ist, sondern etwas,  das von unserem eigenen Willen abhängt, und darum können wir es auch, selbstverständlich mit der Hilfe Gottes, ohne welche wir überhaupt nichts, nicht einmal einen guten Gedanken zu fassen, vermögen.

Es ist nicht ein Schweigen der Seelenkräfte, sondern nur ein Einschließen, derselben  in die Seele. Dazu kann man auf verschiedene Weise kommen, wie es in einigen Büchern beschrieben ist. In diesem heißt es, dass wir uns, um uns in unserem Inneren Gott zu nahen von allem frei machen müssen. Sogar mitten unter den Geschäften sollen wir uns selbst zurückziehen; und dächten wir auch nur einen Augenblick an den, der in uns wohnt, so  brächte uns dies schon allein einen großen Gewinn.

 

 

Auch müssen wir uns allmählich daran gewöhnen, mit dem in uns wohnenden Gott leise zu reden, da lautes Rufen nicht notwendig ist; denn Gott wird uns seine Gegenwart in uns merken lassen. Auf solche Weise werden wir das mündliche Gebet in großer Ruhe verrichten und weniger Mühe dabei haben; denn bald wird uns der Herr schon durch Zeichen verstehen, wenn wir uns bezwingen und bei ihm verweilen.

 

Während wir sonst viele Vaterunser beten müssten, wird er uns schon beim ersten verstehen. Sehr gern überhebt er uns der Mühe. Es ist ihm genug, wenn wir in einer Stunde auch nur ein einziges Vaterunser beten, wofern wir nur seine Gegenwart gedenken und erkennen, um was wir ihn bitten, wie gerne er uns gibt, und wie sehr es ihm freut, bei uns zu sein. Er will nicht, dass wir uns mit vielem Reden allzusehr anstrengen.

 

Möge der Herr diese Weise zu beten diejenigen aus euch lehren, die sie noch nicht verstehen. Ich wenigstens muss bekennen, dass ich nie wusste, was es sei, mit Vergnügen mündlich zu beten, bis der Herr mich diese Weise gelehrt hat. Auch habe ich in dieser inneren Sammlung, die ich mir angewöhnte,  immer so viele Vorteile gefunden, dass ich nicht umhin konnte, so weitläufig davon zu sprechen. Da dieselben, wie schon erwähnt, von unserem eigenen Bemühen abhängt, so füge ich zum Schluss meiner Erklärung noch die Mahnung bei: wer dazu gelangen will, der werde es nicht überdrüssig, sich an das zu gewöhnen, was ich gesagt habe. So wird er allmählich Herrschaft über sich selbst gewinnen.

 

 

Er wird sich zwar verlieren, ob er nicht umsonst; sondern in dem er sich seiner Sinne zur inneren Sammlung bedient, gewinnt er für sich. Wenn er redet, denke er an den,  mit dem er in seinem Inneren reden kann; wenn er sprechen hört, erinnere sich daran, dass er auf den hören muss, der viel näher zu ihm redet; kurz, er trage Sorge, sich niemals von einer so guten Gesellschaft zu trennen. Wenn er will, so kann er. Und sollte er seinen Vater, dessen Hilfe er nicht entbehren kann, lange allein gelassen haben, so bereue er dieses. Kann es sein, so kehre er des Tages oft in das Innere seiner Seele ein; wenn nicht, tue er es wenigstens mehrmals am Tage.

 

Er wird dann, hat er sich diese heilsame Übung einmal zur Gewohnheit gemacht, früher oder später den Gewinn davon ernten, den der Herr ihm zuteilen wird und dem er mit keinem Schatz der Welt wird vertauschen mögen. Ohne wenigstens einige Anstrengungen kann man überhaupt nicht lernen. Darum bitte ich euch, um der Liebe Gottes willen, haltet den Fleiß, den ihr euch in Angewöhnung dieser Übung kosten lasst, für gut angewendet.

 

 

Vorausgesetzt, dass ihr euch die nötige Mühe gebt, bin ich überzeugt, dass ihr mit der Gnade Gottes in einem Jahr, oder vielleicht schon in einem halben, den erwähnten Gewinn davon tragen werdet. Seht da, wie wenig Zeit erforderlich ist zu einem so großen Gewinn, der kein geringerer ist, als das ihr einen guten Grund legt, damit euch der Herr, wenn er euch zu großen Dingen erheben will, durch den Aufenthalt in seiner Nähe bereit findet.

 

SEINE  MAJESTÄT  LASSE NICHT ZU,  DASS  WIR  UNS VON  SEINER  GEGENWART  TRENNEN.  Amen

Terasa von Avila