Gebet und Aussagen von Hermann Hesse
Lass mich verzweifeln, Gott, an mir, doch nicht an Dir !
Lass mich des Irrens ganzen Jammer schmecken,
Lass alles Leides Flammen an mir lecken, Lass mich erleiden alle Schmach,
Hilf nicht mich erhalten, Hilf nicht mich entfalten !
Doch wenn mir alles Ich zerbrach, dann zeige mir, dass Du es warst,
Dass du die Flammen und das Leid gebarst,
Denn gern will ich verderben, will gerne sterben,
Doch sterben kann ich nur in Dir !
Solang du nach dem Glücke jagst,
Bist du nicht reif zum Glücklichsein,
Und wäre alles Liebste dein.
Solang du um Verlorenes klagst
und Ziele hast und rastlos bist,
Weißt du noch nicht,was Friede ist.
Erst wenn du jedem Wunsch entsagst,
Nicht Ziel mehr, noch Begehren kennst,
Das Glück nicht mehr mit Namen nennst,
Dann reicht dir des Geschehens Flut,
Nicht mehr ans Herz, und deine Seele ruht.
Nichts ist gefährlicher und seelenmordener
Als die beständige Beschäftigung mit dem eigenen Wesen und Ergehen,
der eigenen einsamen Unzufriedenheit und Schwäche.
Wenn wir einen Menschen hassen,
so hassen wir in seinem Bilde etwas,
was in uns selber sitzt.
Was nicht in uns selber sitzt,
das regt uns nicht auf.
Nein, keine Lehre konnte ein wahrhaft Suchender annehmen,
einer, der wahrhaft finden wollte.
Der aber, der gefunden hat,
der konnte jede, jede Lehre gutheißen,
jeden Weg, jedes Ziel,
ihn trennte nichts mehr von all den tausend anderen,
welche im Ewigen lebten,
welche das Göttliche atmeten.
Wenn jemand sucht, denn geschieht es leicht,
dass sein Auge nur noch das Ding sieht, das er sucht,
dass er nichts zu finden, nichts in sich einzulassen vermag,
weil er nur an das Gesuchte denkt, weil er ein Ziel hat,
weil er vom Ziel besessen ist.
Finden aber heißt:
F r e i s e i n, o f f e n s t e h e n, k e i n Z i e l h a b e n !
Die Verzweiflung schickt uns Gott nicht,
um uns zu töten,
er schickt sie uns,
um neues Leben in uns zu erwecken.
Der Machtmensch geht an der Macht zugrunde,
der Geldmensch am Geld,
der Unterwürfige am Dienen,
der Lustsucher an der Lust.
Das Wunder der Liebe
Oft will das Leben nicht mehr weitergehn,
bleibt schwarz und zögernd stehn -
O schauerlich verwirrte Tage.
da alles Lebende in uns sich selber hasst,
sich selbst an der verhassten Gurgel fasst.
Anklagend sich und Gott in frevelhafter Frage!
O Wunder, wenn uns dann die Liebe naht
und unsern finstern Pfad mit ihrer stillen Flamme lichtet !
wär diese Gnade nicht, längst hätten wir
uns ganz verwirrt ins teuflische Revier
und Licht und Gott in uns vernichtet !