Das immerwährende Herzensgebet

 

Das immerwährende Herzensgebet

 

Es gibt keinen einheitlichen Gebetstext, stets wird der Name Jesu angerufen, mögliche Formulierungen sind:

Herr Jesus Christus

Jesus Christus

Jesus

Christus Jesus.

Nach der Anrufung des Namen Jesu kann eine Erbarmungsbitte angeschlossen werden. Mögliche Formulierungen sind:

Herr Jesus Christus erbarme dich meiner

Herr Jesus Christus, (du) Sohn Gottes erbarme dich meiner.

Herr Jesus Christus, (du) Sohn Gottes, steh`mir bei.

Heiligstes Herz Jesu sei meine Rettung.

Auf dem Athos sprechen die Einsiedler das sog. kleine Jesus Gebet.

 

 

Die Praxis des Jesusgebetes kann auf der Grundlage geschehen, die schon die Kirchenväter vorgegeben haben: Dabei geht es darum, sich zu bemühen, rein und ununterbrochen betend den Atem durch die Nase ins Herzinnere einzuführen, und sich dabei einzig auf die Worte des Gebetes zu konzentrieren, sie zu meditieren und im Denken zu umkreisen.

Traditionell, (nach dem Vorbild des russischen Pilgers) erfolgt die Einübung in drei Schritten, die bei den meisten Menschen jeweils mehrere Jahre dauern werden:

 

1. Häufiges mündliches Rezitieren,

2. Innerliches Beten und

3. Selbstständiges Beten, im Rhythmus von Atmung und Herzschlag.

Mündliches Rezitieren

Zur Einübung sollte eine aufrechte Sitzposition, auf einer Meditationsbank oder einem Stuhl eingenommen werden. Um Einseitigkeiten und Verfälschungen der Übungsidee zu vermeiden, ist es sinnvoll einen spirituellen Ratgeber hinzuzunehmen, der schon Erfahrung damit hat, dabei muss es sich nicht unbedingt um einen Priester oder Mönch handeln.

Im ersten Schritt wird der Gebetstext sehr häufig laut gesprochen oder zumindest mit den Lippen geformt. Das Gebet wird zunächst dreitausendmal am Tag gesprochen - an einem Rosenkranz abgezählt, oder noch besser, da kein störendes Klicken entsteht, an einer Knotenschnur -, dann sechstausendmal, dann zwölf tausendmal, und schließlich sooft wie möglich.

 

 

Dieses bewusste häufige Sprechen des Gebetes in der ersten Phase dient der Verinnerlichung. Man kann auch mit einer kleineren Zahl beginnen, sollte anfänglich auch nicht zu schnell steigern, da sich sonst beim Übenden leicht extremer Überdruss und geistige Leere einstellen kann, und die Übung dann abgebrochen wird; so haben schon einige Leute ihren ganzen Glauben verloren. Man muss auch darauf achten, andere Aspekte des Lebens, wie Arbeit und tätige Nächstenliebe, nicht wegen der Übungen zu vernachlässigen.

Inneres Gebet

Im zweiten Schritt wird das Gebet zum inneren Gebet. Nun kann bewusst auf die Atmung beim Gebet geachtet werden, also beim Einatmen etwa: Herr Jesus Christus und beim Ausatmen: Erbarme dich meiner, gebetet werden.

Danach kann der Rhythmus des Herzschlags in das Beten einbezogen werden. Beim ersten Herzschlag wird der Herr, beim zweiten Jesus, beim dritten Christus usw. gebetet. Die Koordination der Atmung und Herzschlag sollte behutsam und am besten unter Anleitung (und Segnung) eines erfahrenen geistlichen Begleiters geschehen.

Die großen Lehrer des Jesusgebets wie z.B. Bischhof Theoplan der Klausner, warnen allerdings davor, das Jesusgebet ohne spirituelle Anleitung eines erfahrenen geistlichen Vaters mit Herzschlag und Atmung zu verbinden. Die Erfahrung habe gezeigt, dass dies bei manchen Übenden zu schweren gesundheitlichen Störungen geführt habe.

 

 

Beten im Rhythmus von Atmung und Herzschlag

In der dritten Phase schließlich ist das Gebet so sehr verinnerlicht, dass es gleichsam automatisch mit jedem Atemzug oder Herzschlag gebetet wird. Nach langer Übung kommt es aus dem Unterbewusstsein hoch und anfangs ist man erstaunt, da man sich plötzlich innerlich beten hört, ohne das Gebet willentlich "angeschaltet" zu haben. Das Jesusgebet hat sich verselbstständigt.

Heutige Formen der Einübung

Entscheidend für die Einübung ist nicht die Zahl der Gebete, sondern die Regelmäßigkeit des Betens. Bischhof Theophan der Klausner empfiehlt, dem Anfänger, dreimal täglich dreißig Gebete zu sprechen und diese Regel streng einzuhalten. Je nach Bedürfnis kann dann die Zahl auch erhöht werden.

 

Von einer Verbindung von Atem und Herzschlag, ohne Anleitung durch einen erfahrenen geistlichen Vater rät er dringend ab. Bischhof Theophan ist für heutige Lehrer des Jesusgebets wie Emmanuel Jungclaussen oder Bischhof Kallistos Ware u.a. von großer Bedeutung.

 

 

Moderne Lehrer des Jesusgebetes wie Jaliics, Jungclaussen oder Maschwitz raten von oben beschriebenen Zählen ab. Franz Jalics empfiehlt einen sanften und sehr soliden Weg. Zuerst führt er zur Wahrnehmung der Natur, um die Aufmerksamkeit auf das Göttliche zu erwecken. Anschließend führt er in die Wahrnehmung des Atems, und der Hände um das Jesusgebet körperlich zu unterstützen. Als Gebetswort dient ihm der Name "Jesus Christus" wobei Jesus mit dem Ausatmen und Christus und mit dem Einatmen verbunden wird!

Im Seelsorgekonzept Mental-Tuming Point, das die lutherische Theologin Sabine Bobert entwickelt hat, steht das Jesusgebet im Mittelpunkt von einem der drei zentralen Übungsfelder, nämlich, der Gedankenübung!

 

Heutige Vorbereitung

Durch seine Entstehung im Osten ist das Jesusgebet in der Orthodoxie bzw. den Kirchen des byzantinischen Ritus am weitesten verbreitet. Wahrlich ist es sogar stärker im Volk verwurzelt als der Rosenkranz bei den Gläubigen des lateinischen Ritus, dem es als repetitive Gebetsform entspricht.

Im deutschen Sprachraum fand das Jesusgebet in jüngster Zeit vor allem durch die Publikationen und Exerzitienkurse des Jesuiten Franz Jalics und des Benediktinas Emmanuel Jungclaussen bei den Gläubigen Anklang. Beide verfassten Standardwerke zum Jesusgebet. Ähnliches gilt für Peter Dyckhoff, der mit dem Ruhegebet nach Johannes Cassian eine Vorform des Jesus Gebets praktiziert und lehrt.

 

 

In Russland ist es eine in der Bevölkerung sehr populäre Gebetsform, seit dem dort das Buch "Aufrichtige Erzählungen des russischen Pilgers" erschienen ist.

Obwohl dieses Buch eher von der wohlhabenden Bevölkerung als von normalen Gläubigen gelesen wird, fand das Jesusgebet daher sehr viele Anhänger, weil die Geistlichkeit den Gläubigen diese Gebetsform vermittelt hat. Hinzu kommt der Umstand, dass es der orthodoxen Lehre entspricht, dass man eine gewisse Anzahl von Jesus Gebeten beten kann, wenn man nicht in der Lage ist, an der Liturgie teilzunehmen.

Gesundheitliche Aspekte

Das British Medikal Journal berichtetet von einer Studie der Universität Pavia, bei der herausgefunden wurde, dass sich die Einübung eines Mantras positiv auf das Herz-Kreislauf-System ausübt.

Durch den gleichbleibenden Gebetsrtytmus reduziert sich die Atemfrequenz auf etwa sechs Atmungen in der Minute. Konzentration und innere Ruhe werden gefördert.

Der Preventivmediziner Gerd Snack hat gemeinsam mit dem Musikpädagogen Hermann Rauhe das sogenannte repetitive Meditationstraining (RMT) entwickelt und sich hierbei am Konzept wiederholender Gebetsformeln orientiert, wozu auch das Jesusgebet zählt. Snack und Rauhe schreiben: "Fünf Minuten RMT haben einen stärkeren Wiederherstellungseffekt auf die körperlichen Fitness als eine Stunde Erholung ohne "RMT".

 

Zur Entspannung für den Körper komme auch eine völlig neue Kreativität für den Geist !

 

 

In religionsvergleichender Sicht gehört das Jesusgebet materiell zum Typus des Namensgebets und formal zu den repetitiven Gebetsformen. Die Frage, ob das Jesusgebet (als Wortlaut) ein Mantra darstellt, kann man unterschiedlich beantworten; in der Praxis ist das Jesusgebet ein "mantrisches" Gebet.

In der Ausprägung, wie sie Franz Jalics lehrt, kann es auch als Achtsamkeitsmeditation verstanden werden.

- siehe auch - "Der russische Pilger"