Irrende

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E B E R H A R D K O H L E R

Außenseiter - IRRENDE

Irrende, Außenseiter und schwarze oder verlorene Schafe gibt es in jeder menschlichen Gemeinschaft, in jeder Gruppe und in jedem Verein.

Die Gruppe prägt ihre Glieder. Aus gemeinsamen Interessen oder Aufgaben entwickeln sich gemeinsame Verhaltensweisen und schließlich eine sogenannte Gruppen-Norm. Was <man< in dieser Gruppe denkt, sagt, tut oder auch nicht, das wird zum geschrieben oder ungeschriebenen Gesetz für alle Mitglieder dieser Gruppe. Je exklusiver und elitärer die Gruppen sich fühlt, desto strenger wacht sie über die Einhaltung dieser Normen. Wer diese Normen, das Gesetz der Gruppe, bricht, wird von der Gruppe zum schwarzen Schaf und schließlich zum Außenseiter gemacht, - bis er sie ganz verlässt.

So lehrt es uns die Gruppendynamik, eine besondere Richtung der Soziologie, die menschliches Verhalten in Gruppen untersucht und aus den in vielen einzelnen Beobachtungen gesammelten Erfahrungen allgemein-gültige Regeln formuliert.

 

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Jeder individuelle Mensch, kann man sagen,

trägt, der Anlage und Bestimmung nach,

einen reinen idealistischen Menschen in sich,

mit dessen unveränderlicher Einheit in allen seinen

Abwechslungen übereinzustimmen die große Aufgabe seines Daseins ist.

Friedrich Schiller

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Unter der Dominanz einer pluralistischen Gesellschaft verflüchtigen sich zusehends

die individuellen Werte des einzelnen Menschen.

Willy Meurer

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Gelten diese Regeln auch für religiöse Gemeinschaften?

Die Wissenschaftler, die sie formulierten, haben damit beschrieben, wie in sehr vielen und verschieden Gruppen, in denen Menschen dieser unserer Zeit und unserer Welt sich treffen und miteinander verbinden, auf bestimmte Vorgänge normalerweise reagiert wird. Ob diese Reaktion gut oder schlecht, richtig oder falsch ist, ist damit nicht gesagt; nur dies: So ist sie normalerweise.

Wir könnten sie <menschlich< nennen. Ist sie aber auch <göttlich< das heißt: In diese Reaktion gut? Würde Gott ebenso handeln, wenn ER an unserer Stelle wäre?

Den religiösen Menschen, der meist auch Glied einer religiösen Gemeinschaft ist, beschäftigt diese Frage umso mehr, je ernster und bedeutungsvoller die religiöse Seite in ihm geworden ist. Früher oder später wird sie für jeden Menschen aktuell. Man könnte diese Frage aber auch spezieller formulieren:

> Gehorcht das neue Leben des von innen heraus verwandelten, gläubigen Menschen noch den alten Regeln und Gesetzen dieser Welt, - oder nicht? <

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Aber man ist zuletzt, wie man ist, und ich war immer ein Einsiedler von Jugend auf.

Ich bin gelegentlich Gesellschaftsmensch, aber doch meistens absolut das Gegenteil davon.

Theodor Fontane

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Worin liegt der tiefe, unausschöpfliche Reiz des Einzelmenschen ?

Das er ein Geheimnis ist, dass etwas in ihm ist,

was es vor ihm niemals so in der Welt gegeben hat, und nie wieder geben wird,

dass jeder in sich ein tiefindividuelles und einziges < Warum zu leben < trägt.

Gerhard von Mutius

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Die Antwort kann nur Jesu Christus selbst geben. In ihm ist Gott Mensch geworden. Sein Leben, sein Verhalten und seine Aussagen sind Offenbarungen Gottes. Sein Beispiel und seine Gebote sollten in einer jeden Gruppe oder Gemeinschaft, die ihn zu ihrem Mittelpunkt gewählt hat, zur Norm geworden sein oder schnellstens zur Norm werden.

Wie sieht dieses göttliche Beispiel und Gebot aus?

Im Gleichnis vom verlorenen Sohn (siehe Lukas 15) machte Jesus von Nazareth seinen Jüngern und etlichen Schriftgelehrten klar, dass ein guter Hirte i m m e r 99 von hundert Schafen in seiner Herde allein zurücklässt, und das eine Verlorene in der Wüste suchen geht, bis er es wieder gefunden, und in die Gruppe der anderen zurückgebracht hat. Er begründete damit seine eigene, enge Verbindung mit einigen Außenseitern der damaligen Gesellschaft, den >Zöllnern und Sündern<, und war unter ihnen viel häufiger anzutreffen, als unter den >Frommen<, den Pharisäern und Schriftgelehrten des Tempels; sehr zum Ärger der Letzteren.

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Der eine hat die, die anderen andere Gaben;

Jeder braucht sie, und jeder ist doch nur auf eigene Weise

Gut und glücklich.

Johann Wolfgang von Goethe

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Die Massenkultur des Wohlstandes, fördert die Konformität,

aber lässt die Individualität verkümmern.

Helmut Glaßle

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Er pflegte sich den religiösen Randsiedlern zu widmen und den aus der religiösen Gemeinschaft verstoßener Zöllner und Dirnen.

Klar, dass er dabei in Verruf geriet. > Ein frommer Jude tut so etwas nicht<, er meidet den Umgang mit solchen Leuten; < wer das Leben der Sünder teilt, wird selbst zum Sünder; solche Krankheiten sind ansteckend ; < schlechte Manieren übernimmt man viel leichter als gute <, - das mögen die Überlegungen, Erkenntnisse und Befürchtungen seiner Kritiker gewesen sein. Sind sie falsch?

Man versteht dieses Verhalten des Menschen Jesus von Nazareth nur, wenn man es im Licht seiner beiden Liebes-Gebote betrachtet:

>Liebe Gott deinen Vater im Geist über alles,

und liebe deinen Nächten , deine Mitmenschen, w i e d i c h s e l b s t <

So lautete die Zusammenfassung der 10 alten, religiösen Gebote des Mose, die Christus nun seinen Mitmenschen predigte und vorlebte. Sie haben beide einen sehr engen Bezug zu unserer Frage nach dem richtigen Verhalten gegenüber den sogenannten verlorenen oder schwarzen Schafen in einer Gruppe von Menschen.

 

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Wie hoffnungsvoll ist der Einzelne doch immer wieder,

wie wirklich, wie gutgewillt, wie reich, -

wenn man dann die wirre trübe Menge sieht, begreift man`s nicht,

dass er sich in ihr so, gleichsam spurlos verliert.

Rainer Maria Rilke

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Mehr als andre pflegt man die zu meiden,

die von eigner Kraft getragen

aus dem allgemeinen Käfig scheiden.

Fr, Petraca

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Wer diese Gebote beachtet ( und nach den Aussagen Jesu in seinen Abschiedsreden, siehe Johannes 14,15, äußert sich die Liebe zu Gott im Befolgen seiner Gebote.) m u s s sich - wie jeder rechtgläubige Christ - mit seinen Mitmenschen so gut wie völlig identifizieren. Ihn lieben heißt doch: Alles mit ihm teilen, seine Last auf die eigenen Schultern laden, seine Sorge und seinen Kummer zum eigenen Anliegen machen, und alle seine Irrtümer und Verfehlungen, als e i g e n e Irrtümer und Verfehlungen betrachten.

Einen Menschen, den ich liebe wie mein eigenes Leben, kann ich doch wohl nicht achselzuckend ins Verderben rennen lassen!?

Ist das zu streng, zu viel verlangt?

Im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner (Lukas 18,9-14) beschrieb Jesus das Verhalten eines typischen Pharisäers und nannte dessen innere Einstellung ( ...ich danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie die anderen Leute, wie die Ungerechten oder auch wie dieser Zöllner da ...) falsch und in geistiger Hinsicht ausgesprochen niedrig.

Warum? Der Pharisäer distanziert sich bewusst von den Fehlern seiner Mitmenschen. Die Liebe Gottes dagegen verbindet sich mit ihnen. Jesus hat sich von keinem Menschen distanziert, sondern hat die Irrtümer und Verfehlungen anderer so behandelt, als wären es seine eigenen.

 

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Das sind die Starken, die unter Tränen lachen,

eigene Sorgen verbergen, und andere glücklich machen.

Franz Grillparzer

 

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Wer Ihm nachfolgen will, der muss Ihm auch in diesem Punkt nachfolgen und muss SEIN Verhalten übernehmen. Unsere Mitmenschen sind nur Spiegel! Wir sollten lernen, uns mit ihnen zu identifizieren.

Und was dann?

Dann können wir dem sogenannten schwarzen Schaf nicht mehr den Rücken zukehren, es missmutig eigene Wege ziehen lassen, oder gar verstoßen! Wer den Anspruch erhebt , selbst auf der Seite der Wahrheit und der Liebe Gottes zu stehen, der muss auch ein diesem Anspruch entsprechendes Verhalten zeigen: Er muss sich einem jeden, den er als einen Irrenden bezeichnet oder nur empfindet, vermehrt und mit umso größerer Liebe zuwenden.

Sich von ihm anzuwenden und das eigene Heil zu sichern wäre zwar im gruppendynamischen Sinne < normal <, - aber eben nicht im Sinne Jesu, im Sinne Gottes. Gott liebt alle Menschen, lässt über allen dieselbe Sonne scheinen; eher verlässt er die Gerechten und geht den Verlorenen nach , als umgekehrt.

Man kann also daran, wie sich eine religiöse Gemeinschaft ihren <schwarzen Schafen< gegenüber verhält, deutlich erkennen, inwieweit der Anspruch dieser Gemeinschaft auf Rechtgläubigkeit und wahrhaftige Nachfolge Jesu verwirklicht wird.

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In Täuschung lebt` ich manche Jahre und brach zur Wahrheit spät mir Bahn;

nur wandelt jetzt die Furcht mich an, ob ich dabei viel besser fahre.

Friedrich Halm

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Der Irrtum und das Unrecht der Könige werden mit ihnen begraben,

aber das Unrecht der Gesetzgeber dauert von Geschlecht zu Geschlecht.

J.W von Goethe

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Wo die Grenzen einer <frommen Norm< Außenseiter und schwarze Schafe produzieren, von denen sich die fromme Gruppe anschließend mit Wort und Tat distanziert, dort kann der Geist Jesu Christi kaum oder nur sehr beschränkt wirksam sein. Er wirkt aber gewiss dort, wo eine Gruppe auftretenden Konflikten lernbereit begegnet.

In einem jeden Mitmenschen begegnet uns Gottes Ebenbild, hier mehr; dort weniger verhüllt; hier mehr dort weniger vollkommen sichtbar. In einem jeden irrenden, sich von unserer frommen Norm abgewendeten Mitmenschen wendet sich deshalb ein Stück weit Gott selbst von uns ab, - weil unsere Liebe zu schwach ist, um Ihn zu halten; weil wir uns mehr mit unserer Verhaltens - Norm als mit diesem Menschen identifiziert haben.

Wir können und sollen einen Jeden lieben, mit aller Kraft und Hingabe!

Die Liebe respektiert die Freiheit des anderen , trägt aber seine Lasten mit, ohne auf eine Gegenleistung zu warten. Die Liebe verbindet, wie keine andere menschliche Regung verbinden könnte.

Wie erreicht man das hohe Ziel einer solchen Liebe?

Man bittet einfach darum, unablässig. Und: Wer sich selbst für gering, einen jeden Mitmenschen dagegen für wertvoll, wichtig und liebenswürdig hält, hat es leichter als ein Pharisäer, der die höchste Meinung stets von sich selbst hat.

Tiefste Demut und zugleich Hochachtung aller Mitmenschen, das sollte Verhaltens - oder Gruppen - Norm in allen religiösen, vor allem den christlichen Gruppen oder Gemeinschaften sein!

WOLLEN WIR ES DAMIT VERSUCHEN !

 

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